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Nummern-Veränderungen vielleicht nicht nur ein Xeroxproblem?

Die Frage, ob die Scanfehler nur ein Xeroxproblem sind, könnte beantwortet worden sein. Ich habe eine Mail von einem Brother-Kunden erhalten, der den Fehler auf einem Brother MFC-9140CDN reproduzieren konnte. Angehängt an die Mail war eine ausgedruckte und eingescannte Seite meines Zahlen-TestPDFs, wo mindestens eine 6 ersetzt wurde durch eine schöne, saubere 8. Anfrage bei Brother steht aus.

Edit: Brother hat sich gemeldet, und gesagt, dass sie vom Problem nicht betroffen sind. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde der Brother weniger Ziffern ersetzen als die Xerox-Geräte. Aber, Vorsicht: Ich habe diesen Fehler nicht selbst reproduziert, und leider steht die Geräte-ID auch nicht im PDF, sondern dort steht „Paperport 12“, also kann ich auch nicht wissen, auf welche weise die Daten jetzt wo genau durch die Mangel gedreht wurden. Es könnte auch die empfangende Software gewesen sein. Nehmt es als Hörensagen und seid verantwortungsvoll, wenn ihr irgendwas verbreitet. Diese Meldungen schlagen im Moment so ein, dass man niemals sicher sein kann, dass irgendeine potentielle Sensationsmail in meiner Box nicht Bestandteil einer Spindoctorkampagne ist. Nichtsdestotrotz nehme ich gerne weitere Geräte in meine „Hörensagenliste möglicherweise betroffener Geräte“ auf. 8-)

Xerox kündigt Softwarepatch an

Einen Tag nach dem ersten Statement, das im wesentlichen bereits bekannte Informationen enthielt, gibt es nun ein weiteres Statement von Xerox.

Darin kündigt Xerox einen Softwarepatch an, der den fraglichen Kompressionsmodus komplett abstellt. Das ist die absolute Radikallösung, denn der Modus wurde immerhin in den Hochglanzprospekten als High-end-Feature hervorgetan. Wie ich hier ja schon mehrfach geschrieben habe, ist patch based lossy compression in einem Dokumentenscanner eher fehl am Platze.

Speicherknappheit ist nicht mehr verbreitet, und wenn man bei keinem der gescannten Dokumente Rechtssicherheit hat, oder Angst haben muss die Rentenkasse zu entlasten, indem man der eigenen Oma die Medikamentendosierung mit Xerox-Geräten scannt, ist das sicherlich auch nicht im Sinne des Erfinders.

Der Tag danach

… wird wohl noch etwas auf sich warten lassen.

So halb war ich drauf gefasst, dass die Sache jetzt an Schwung verlieren würde, und ich habe ja auch nicht vor, Xerox zu schaden. Ich habe mich ernsthaft gefreut, wie offen sie auf mich zugegangen sind und habe daher auch ernsthaft versucht, zu helfen.

Aber – Stammleser kennen diesen Satz schon – wir gehen nun über zur Thematik „das Internet vergisst nichts.“ Lest mal die teilweise harschen Kommentare unter dem Xerox-Statement! So ganz scheint man sich nicht damit zufrieden zu geben, dass ein einmaliger kleiner Hinweis beim Einstellen der Kompression auf „Normal“ (sic!) ausreichen soll, um mögliche Jahresladungen subtil verfälschter Dokumente über vielleicht zigtausende Unternehmen weltweit einfach abzuhaken. Die Seite läuft schon den ganzen Tag über bei bis zu 160 Hits pro Minute, weil die Xerox-Sache so ganz, ganz langsam die Massenmedien erreicht. Ein Bekannter von mir hat die Sache auf eine wunderschöne Art und Weise auf den Punkt gebracht, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

Oh, wow, David, du bist am Arsch. Es steht GANZ KLAR im Bedienerhandbuch. Oder hast du etwa die Seite 107 von 328 nicht gelesen? – Das ist ja, wie wenn ich im Auto die Heizung auf exakt 21 Grad stelle, dann deswegen die Bremse nicht funktioniert, und sich die Herstellerfirma nach Jahren von unerklärlichen Unfällen auf Seite 107 im Manual bezieht, wo ganz klar steht, dass man nun mal nicht exakt 21 Grad einstellen sollte, wenn man auch bremsen will.

Treffer, versenkt – wobei vergessen wurde, dass ich meinen Blogartikel ja gar nicht erst geschrieben hätte, wenn der Xerox Support über alle Level hinweg mal auf das Schlagwort „Character Substitution“ reagiert hätte. Den Mund hab ich mir fusselig geredet.

Einenhabichnoch, einenhabichnoch: Den besten und trockensten Kommentar zum Thema habe ich auf Gizmodo gelesen. „You had 1 Job, Xerox, 8 Job.“ LOL

Bleibt mir gewogen, und natürlich wird hier weiter zum Thema gepostet, sobald es was neues gibt. Vielen herzlichen Dank für die Unterstützung aus aller Welt!

Edit: Noch eine (ernstere) Sache, die ich die ganze Zeit gefragt werde. Kann das mehr als nur ein Xerox-Problem sein? Ich denke, ja. JBIG2 ist ein mächtiges Kompressionsverfahren, aber wie wir alle sehen, kann es gefährlich werden, wenn es falsch eingesetzt wird. Der wichtige Punkt ist, dass die Benutzer nicht sehen können, dass der Scan falsch ist. Andere Kompressionsverfahren lassen Zahlen unter Artefakten untergehen, und dann sieht man das und scannt eben neu. Hier werden kaputte Zahlen durch wunderschön aussehende, jedoch vielleicht inkorrekte ersetzt. Das macht den Fehler extrem schwer zu finden. Diese Sache existiert in Xeroxmaschinen anscheinend über Jahre hinweg, und *jetzt*, wo die Leute aufmerksam geworden sind, reproduzieren sie den Fehler über die ganze Welt hinweg. Natürlich kann das auch bei Maschinen genauso passieren, die nicht von Xerox sind.

Was Xerox angeht: Ich stimme mit Xerox überein, dass die Sache nicht in dem Sinne ein Bug sein muss (it's not a bug, it's a feature!!1) :-) – aber in jedem Fall ist es der Supergau unter den Kommunikationspannen sowohl vom Aspekt der Dokumentation, als auch vom Support, als auch von der Reaktionsgeschwindigkeit der Pressestelle her. Und diese Panne erzeugt dann leider exakt die Folgen, die ich gefürchtet habe, als ich noch davon ausging, es wäre ein Bug.

Andere sehen das nciht ganz so rosig. Mir ist mehrmals die Hypothese zugetragen worden, dass das durchaus ein Bug war, der Xerox irgendwann zugetragen wurde – und dann konnten sie natürlich keinen Rückschritt machen, sondern haben das „Normal“-Setting nicht mehr als Default rausgegeben und eine kleine Meldung daneben platziert. Dass Patch-Based lossy compression in einem Dokumenten-Scankopierer nicht sinnvoll einzusetzen ist, macht diese These nicht unplausibel.

Mag jeder selbst sehen, was er am wahrscheinlichsten findet.

Telefonkonferenz mit Xerox

Gerade eben hatte ich eine halbstündige Telefonkonferenz mit

  • Rick Dastin, Corporate Vice President Office and Solutions, und
  • Francis Tse, Imaging System Architect at Xerox Corporation.

Zuerst kann ich berichten, dass ich die Gesprächsatmosphäre angenehm und interessant fand, man war auch entspannt und keine Seite hat versucht, die jeweils andere zu irgendetwas zu treiben, sondern vor allem hat man sich gegenseitig zugehört. Ich begrüße sehr, wie Xerox die Sache angeht und das Gespräch sucht. Nicht alle Großkonzerne machen das so, wir alle kennen die Geschichten von Konzernen, die versucht haben, den Überbringer der Botschaft abzuwürgen.

Die harten Fakten vorab:

  1. der Workaround funktioniert, weil er das Pattern matching in JBIG2 abstellt.
  2. Das Problem war, bzw. ist, in erster Linie ein Serviceproblem, das nicht entstanden wäre, wenn der Support seine eigenen Menüpunkte gekannt hätte.

Jetzt zu den Einzelheiten. Das Design von Xerox ist so, dass man ein paar Standardkompressionslevel anbietet (higher / high) und dann eben noch ein niedriges, das weniger Rücksicht auf Datenintegrität nimmt (heißt dann normal). Das „normal“ verwendet nun JBIG2 und kann Buchstaben vertauschen, bei „higher“ und „high“ wird ein anderes Kompressionsverfahren verwendet. So kommt die Anti-Intuition zustande, dass die sichtbare Bildqualität sich beim Wechsel von „normal“ zu „higher“ verschlechtern kann.

Ob man jetzt bei einem Scanner überhaupt einen Scanmodus braucht, der keine Rücksicht auf Datenintegrität nimmt, darüber kann man natürlich trefflich streiten. Bildet euch eure eigene Meinung. Der Kerndoppelsatz aus der Telefonkonferenz hierzu war folgendermaßen (übersetzt aus dem Gedächtnis):

David Kriesel: „Wenn Sie mir ein Dokument bringen, dass auf diese Weise JBIG2-enkodiert wurde, kann ich doch einfach sagen, dass das inkorrekt wäre, und sie könnten mir nicht das Gegenteil beweisen.“

Francis Tse: „Ja, das ist so, einfach aus Gründen der Wahrscheinlichkeitsrechnung.“

Um direkt fair zu sein: Das „normal“ ist nicht default (insbesondere hat das also bei der betroffenen Firma jemand eingestellt) und es gibt auch eine, wenn auch kleine, Warnungsmessage im Webinterface – schaut euch den Screenshot im Workaround Blogpost an.

Ich sehe es aber nicht so, dass Xerox damit aus dem Schneider ist, weil so was immer irgendjemand einstellen kann, unabhängig vom Kleingedruckten im Webinterface, und alle anderen dann nichts wissen. Das grundsätzliche Design der Level finde ich zunächst mal verständlich, wobei wir aber darin übereingestimmt haben, dass die Benennungen sehr irreführend sind, weil man, wenn man eben nur Standarddokumente hat, vielleicht auch mal „normal“ einstellt ohne sich groß Gedanken zu machen (dass genau das anscheinend sehr viele Leute getan haben, dazu kommt gleich noch was, zusammen mit zwei Lösungsvorschlägen).