Bonner Altstadt: Kirschblütentraum bei Tag und bei Nacht
Wer in Bonn studiert hat, kennt die Altstadt – sowohl für ihre kleine Kneipenszene, als auch von leidvollen Umzugserfahrungen. Und wer die Altstadt kennt, kennt die Kirschblütenpracht einiger Straßen dort im Frühling. Einige Jahre habe ich jetzt gedacht „das musst du mal in Szene setzen“, und dieses Jahr bin ich endlich mal dazu gekommen. Wir hatten ja auch länger keine Fotos mehr hier. Ich bin zweimal durchgelaufen, einmal gestern mitten in der Nacht, und einmal heute am frühen Nachmittag. Also gibt es jetzt zwei Fotogalerien samt Tips zum nachmachen. Viel Spaß
Die Nacht
Nachtaufnahmen mag und mache ich ja schon seit längerem, und darum bin ich auch zunächst nachts durch die Altstadt gegangen, weil die nächtliche Stimmung unter dem Kirschblütendach wirklich etwas ganz besonderes ist. Wie alles besondere kriegt man diese Stimmung aber eben schwer mit der Kamera eingefangen. Also habe ich etwas Ausrüstung mitgeschleppt, um mir zu behelfen.
- Kamera: Nikon D90
- Primäres Objektiv: Nikkor AF-S 16-85mm f/3-5-5.6G ED VR DX
- Sekundäres Objektiv: Nikkor AF-S 50mm f/1.4 G – habe ich in dem Fall aber nicht viel genutzt.
- Ein Manfrotto-Stativ
Die Bilder sind nun auf zwei Arten entstanden.
- mit 3-6 Sekunden Langzeitbelichtung vom Stativ aus, leicht abgeblendet Richtung f/6.3 oder f/7.1, um noch etwas Schärfe rauszuholen
- wie oben, aber mit den drei Blitzen auf den Boden gelegt und ferngezündet. Das ist in meinen Augen bei solchen Situationen ein Erfolgsrezept: Langzeitbelichtung bei gleichzeitigem behutsamen, aber großflächigem Einsatz von Kunstlicht.
Für das Fernzünden der Blitze verwende ich das Advanced Wireless Lighting von Nikon. Erfreulich: Der interne Kamerablitz der D90 hat genug Schmackes, um Slave-Blitze auch auf größere Distanzen fernzusteuern. Es war für mich überraschend, wie weit das noch funktioniert. Eigentlich hatte ich geplant, den SB-700 als Master zu verwenden, aber so konnte ich ihn einfach als Slave mitverwenden und hatte damit Licht von drei vollwertigen Slaves statt „nur“ zwei. Diese habe ich dann in nur einer einzigen Blitzgruppe zusammengefasst und das available Light als zweiten Lichtfaktor über Blende und Langzeitberichtung geregelt. Minimaler Aufwand, maximale Freiheit. Am Rande: Die Empfangscharakteristiken vom AWL-Pendant der Firma Canon scheinen signifikant schlechter zu sein als diejenigen von Nikon. Ein Freund von mir war für eine eigene Fotosession zugegen und hatte erhebliche Probleme, seine Blitze über größere Distanzen als 1-2m zu zünden, was ihn verständlicherweise geärgert hat.
Nachdem Ausrüstung und Einstellungen nun beschrieben sind, vielleicht noch ein Wort zur Blitzpositionierung. Die Blitze selbst habe ich meistens auf die Straße oder umstehende Gegenstände gelegt, z.B in gleichen Abständen unter ein „Tor“ aus zwei Kirschbäumen. Dann konnte die Aufnahme so aus 5 - 10 Meter Abstand oder etwas mehr erfolgen. Manchmal haben aber auch die Autos am Straßenrand hergehalten, oder auch ein Fahrradkorb, je nach dem, wie ich das Licht ausgestalten wollte. Hier muss man ein bisschen probieren. Der Blendentestmodus an der Kamera lässt alle ferngesteuerten Blitze für ca. eine Sekunde dauerhaft aufleuchten, so dass man den Effekt vorher ungefähr sehen kann, das hilft sehr. Tip: Versucht mal, damit ein paar Fußgänger zu erschrecken. Einer ist bei mir fast in die Luft gesprungen, als aus dem Busch neben ihm mit einem schnarrenden Geräusch elektrisch anmutendes Leuchten kam . Auf den Bildern ganz unten habe ich ein paar Beispiele gebracht, auf denen die Blitze gut sichtbar sind, so könnt ihr die Positionierungen sehen. Hier dann also die Nachtaufnahmen:
Der Tag
Da heute schönes Wetter ist, bin ich gleich noch einmal in die Altstadt gefahren, um mir den Kirschblütentunnel noch einmal bei Tageslicht anzusehen. Beim Fotographieren des „Tunneldaches“ ergibt sich dann zwangsläufig eine harte Gegenlichtsituation, da sich hinter den Blüten ja der sehr lichtstarke Himmel befindet. Entweder ist also der Himmel völlig überbelichtet, oder die Blüten werden auf dem Bild schwarz – oder man kann sich mit Späßchen wie HDR-Aufnahmen auseinandersetzen, worauf ich keine Lust hatte.
Also, des Rätsels Lösung: Das gleiche Blitzsetup, nur ohne Langzeitbelichtung und ohne Stativ. Blitze wieder unter die Kronen gelegt, und so den Tunnel von innen beleuchtet. Ist ein bisschen anstrengend, weil man alle Nase lang die Straße für Autos freimachen muss, hat aber geklappt.
Ein Nebeneffekt, den ihr bei so etwas mit einkalkulieren solltet: Es kann sein, dass ihr irgendwann eine kleine Zuschauertraube hinter euch herzieht, wenn ihr mit drei Systemblitzen die Baumkronen von unten illuminiert. Das ist an sich sehr cool, man muss aber auch aufpassen, dass man dennoch Bilder mit wenigen Menschen hinbekommt.
Blitzpositionierung
Auf mehrfachen Wunsch hier noch ein paar nicht-beschnittene Bilder, aus denen die Blitzlichtpositionen hervorgehen (sind klar markiert, manchmal ist ein Blitz außerhalb des Bilds). Damit kann ich die Blitze dann ja aus den „echten“ Bildern wegshoppen . Beispiele gibts sowohl für Tag- als auch für Nachtaufnahmen.
Fazit und Meckereien
Zunächst fällt auf, dass ich die Tagesserie etwas weiter in den Morgen oder Nachmittag hinein hätte verschieben können. Nächstes mal besser.
Insgesamt: Das mache ich nächstes Jahr wieder, aber wenn ichs hinkriege mit einer weitwinkeligen, lichtstarken Festbrennweite und ansonsten gleichem Blitzsetup. Dann kann ich das „Tunnelende“ freistellen, gleichzeitig nahe Blüten verunschärfen und ein bisschen mehr mit den Blickwinkeln arbeiten. Mein 50mm/1.4 ist zwar lichtstark genug, aber der Blickwinkel ist in diesem Fall zu eingeengt – irgendwas im Rahmen von 35mm bis 20mm wäre geeigneter, für diesen Anwendungsbereich möglichst lichtstark. Zwei DX-Linsen fallen da auf Anhieb ins Auge:
- Das Nikkor AF-S DX 35mm f/1.8 G sowie das
Beide sind von beachtlicher Lichtstärke. Das erstere ist als Preishit einzustufen und mit 180 Euro in einem Rahmen, den man für so eine Aktion zu bezahlen noch bereit sein könnte. Leider ist es auf meinem Sensor mit einem Cropfactor von 1.5 als Normalobjektiv einzustufen. Das zweite ist deutlich weitwinkliger, sogar noch eine Stufe lichtstärker, und kann zusätzlich durch eine sehr, sehr dichte Naheinstellgrenze überzeugen. Definitiv ein Feinschmeckerli unter den Gläsern. Leider weiß Nikon das aber auch, und so kostet es mit seinen knapp 1900 Euro locker das zehnfache vom ersten. Da müssten also noch andere Gelegenheiten absehbar sein, damit ich das Glas ernsthaft in Erwägung ziehe. Was gibt es noch?
- Es gibt noch ein älteres 14mm f/2.8 von Nikkor, was mir aber für den Einsatzbereich zu lichtschwach ist, und dazu auch eher teuer und schwer, obwohl 14mm der Szene eine gewisse Dramatik verleihen könnten.
- Fisheyes fallen im Grunde raus, da sie nicht in der gewünschten Lichtstärke zu haben sind, die mich einen Tunneleffekt mit der Schärfentiefe erzeugen lässt (aus Spaß: Kennt ihr eigentlich das Nikkor 6mm/f2.8 Fisheye? Ist eine der kränksten Linsen die ich so kenne).
- Es gibt diverse Weitwinkelzooms von Nikkor ab 14mm, die fangen aber auch alle erst bei f/2.8 an.
Aber siehe da: Sigma hat noch das Sigma AF 20mm f/1.8 EX DG RF (DX), was sowohl vom Brennweitenbereich als auch der Lichtstärke passt. Schön. Mit 700 Euro aber „not exactly cheap“, und auch die optische Qualität ist nicht so das gelbe vom Ei. Speziell das Bokeh lässt hier zu wünschen übrig, und auf den Testbildern sehe ich ein Feuerwerk an Farbsäumen an Kontrasten. Beides würde sich auf genau die gegebene Situation extrem negativ auswirken, und so bleibt im Grunde nur die teure Nikkor-Festbrennweite. Vielleicht miete ich die nächstes Jahr für ein paar Tage, mal sehen. Die Daten und Testbilder sind schon beeindruckend. Damit habe ich meine persönlichen Notizen für dieses mal beendet und schaue mal, was ich zum nächsten Jahr so besorgt kriege.